von Hans-Joachim Böker
An das letzte Schützenfest in Hannover vor dem 2. Weltkrieg kann ich mich noch sehr genau erinnern.
Mein Vater hatte mich auf den Schultern und ich konnte viel früher als alle anderen Zuschauer des Schützenumzuges sehen, wie die Schützen vom Aegi in die Georgstraße einbogen, vorweg die Fahnenträger und hinter ihnen die Schützen in Reih und Glied, Verein nach Verein.
Hin und wieder kam auch eine Kapelle oder ein Spielmannszug, was aber jetzt folgte war etwas sehr Außergewöhnliches: berittene Soldaten in Reih und Glied mit ihren blankgeputzen Instrumenten, an ihrer Spitze allein ein Reiter mit zwei Kesselpauken. Seitlich rechts und links bewegten sie sich auf und ab im Tempo der Pferdegangart. Abwechselnd schlug der Reiter auf die Trommelfelle und hin und wieder kreuzte er die Schlegel über seinem Kopf. Die Bläser waren in meiner Bewunderung für ihn nur in einer Nebenrolle. Mein Berufswunsch stand nun endgültig fest: Du wirst Militärmusiker. Und zwar einer auf einem Pferd und mit zwei Kesselpauken.
Dieses Schützenfest fand statt am ersten Wochenende im Juli 1939. Zwei Monate später begann der Krieg. Zwölf Jahre mussten vergehen, bevor wieder Schützenfeste gefeiert werden durften.
Mich hatte der Krieg von Hannover nach Eschede verschlagen und ich bin einer der wenigen Zeitzeugen der Neugründung des Schützenvereins Eschede 1951. Über 64 Jahre kann ich aus eigenem Erleben über die Vereinsgeschichte berichten. Was in der Zeit vorher geschehen ist, wurde aus Protokollen, die aber nicht vollständig vorhanden sind, ermittelt und, was das Schützenwesen insgesamt anbetrifft, der einschlägigen Literatur und Geschichtsforschung.
Seinen Ursprung hat das Schützenwesen mit der Erfindung der Armbrust, also schon im Mittelalter. Mit dieser Waffe ließ sich besser zielen als mit der Steinschleuder oder dem Speer. Als dann das Schießpulver von Berthold Schwarz erfunden war, begann die Zeit der Schützen.
Wie deren Name sagt, ging es in erster Linie um das Beschützen der Stadt und der in ihr wohnenden Menschen und um die Verteidigung des Landes gegen Eindringlinge. Die Vasallen wurden von den Lehnsherren zu den vertraglichen Diensten einberufen, mit den ihnen zugestandenen Waffen.
Um damit zu üben und sich gegenüber ihren Mitstreitern im Wettkampf zu messen, kamen sie im frühen Sommer eines jeden Jahres zusammen, wobei der jeweilige Oberst die Aufsicht führte.
Dieser Offiziersrang hat sich als Tradition bis heute in den Schützenvereinen erhalten. Die ersten Scheiben-Schützenordnung stammt aus dem Jahre 1731.
Mit der Einführung der stehenden Heere im 17. und 18. Jahrhundert hatte sich die Art der Kriegsführung geändert. Was jedoch erhalten blieb, war das alljährliche Treffen zum Wetteifern um den besten Schuss. Da man sich natürlich darüber freute, als Bester aus so einem Wettkampf hervorgegangen zu sein, was dann in späteren Jahren an der Schützenscheibe zu erkennen war, wurde zum Umtrunk eingeladen.
Über diese frühe Form einer alljährlichen Zusammenkunft von Schützen habe ich in der einschlägigen Literatur keine Aufzeichnungen finden können.
Die Bedenken des damaligen Pastors Busse, die er gegenüber den vorstellig gewordenen Vertretern der Eschedeer Schützen geäußert hatte hinsichtlich der Teilnahme der Konfirmanden werden dadurch verständlicher, wenn man seine seelische Verfassung berücksichtigt.
Innerhalb von wenigen Tagen waren seine Töchter Dorette am 09.03., Johanne Wilhelmine am 25.04. und am 30.04.1840 auch noch seine Frau, die Mutter der beiden, verstorben.
Wie viele historische Ereignisse oft mit persönlichen Begebenheiten zusammen treffen, dafür ist diese familiäre Tragik ein Beweis.
Durch die kritische Haltung des zuständigen Geistlichen für Eschede kann die Gründung des Schützenvereins 1840 daher als gesichert gelten, vermutlich ist aber das Schützenwesen in diesem Dorf schon viel älter. Carl Heinrich Ernst Busse war von 1838 bis zu seinem Tode 1845 Pastor in Eschede.
Als Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Napoleon besiegt war, wurden von ihm die bestehenden Schützengilden und -vereine verboten. In der Poststation von Eschede hatte sich französisches Militär eingerichtet und einige Soldaten fanden hier ihre Frauen fürs Leben.
Es dauerte noch einige Jahre, bis das Schützenwesen im ganzen Land wieder auflebte.
In Gotha wurde am 11. Juli 1861 der Deutsche Schützenbund gegründet. Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 hatte keine Auswirkungen auf die Tätigkeit der Vereinigung.
Nach dem Ende des 1. Weltkrieges 1918 ruhte das Schützenwesen zehn Jahre lang bis 1928.
Nach der Machtübernahme durch Hitler wurden die Satzungen der einzelnen Vereine auf eine einheitliche umgestellt und ihre Vorsitzenden hießen fortan Vereinsführer. Der Deutsche Schützenbund, wie er 1861 gegründet wurde, existierte nicht mehr. Er ging auf im ,,Deutscher Schützenverband im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen".
Dessen Vorsitzender Peter Lorenz erwartete von den ,,Kameraden", dass sie sich als wertvolles und nützliches Glied in der Kette väterländischer Interessen bewähren würden. Aus Präsidenten wurden Führer und aus Schützenbrüdern Kameraden.
Auf einem Foto des Schützenvereins Eschede vor dem Kriege, sind alle Vorstandsmitglieder in ihren Schützenuniformen abgebildet, nur einer von ihnen trägt die Uniform der SA, der Ortsgruppenleiter.
Die wehrpolitische Vorschrift hat offensichtlich keine Begeisterung ausgelöst, wie auch in den Protokollen der Versammlungen weiterhin die Bezeichnung ,,Präsident" verwandt und der Titel ,,Vereinsführer" nur selten gebraucht wurde.
Der Rücktritt als ,,Vereinsführer" von Friedrich Dobberkau 1938 wird im damaligen Protokoll mit Zwang beschrieben, der tatsächliche Anlass aber nicht genannt. Wahrscheinlich waren es politische Gründe.
An seiner Stelle ist dann Erich Brokelmann gewählt worden, der aber vom Kreisführer in diesem Amt nicht bestätigt wurde mit der Begründung, er sei als Bürgermeister voll ausgelastet. Die Versammlung entschied sich dann in ihrer letzten Sitzung für Heinrich Greife.
Zum damaligen Kreissportfest in Lüneburg des NSRL, beides sind Wortschöpfungen aus dem Dritten Reich, wurde eine ,,Tragefahne einfachster Ausführung" angeschafft, so wörtlich im Protokoll vom 05. Mai 1939.
Kurz vor dem Einmarsch der britischen Streitkräfte in Eschede lagen in dem gesammelten Schrott auf dem Schulhof auch einige Degen. Zwei davon nahm ich mit nach Hause und legte sie auf unserem späteren Torfboden auf der Diele ab. Niemand wusste davon, aber als eine Mittags zwei britische Soldaten mit gezogenen Pistolen nach Waffen in unserer Wohnung suchten, bekam ich es mit der Angst und beichtete meinen Eltern mein gefährliches Geheimnis.
Trotz des Ausgangsverbots schlich sich mein Bruder mit den in Säcken eingewickelten Ehrendegen über die Weiden bis zur Aschau und versenkte sie dort. Wenn es sich um Eigentum des Schützenvereins gehandelt haben sollte, so weiß man jetzt, wo es geblieben ist.
Alles andere bewegliche Vermögen, Waffen und die schriftlichen Aufzeichnungen sind in den Wirren des Kriegsendes untergegangen.
Die beiden Schießstände am rechten Bachlauf der Aschau, auf Viehweiden gelegen, blieben dem Verein als einziges Vermögen erhalten, konnten aber zu ihrem eigentlichen Zweck noch nicht wieder genutzt werden und wurden daher später abgerissen.
Der ältere der beiden Schießstände stand in Höhe des Aschauufers vor der damals steilen Böschung zur B191 kurz hinter dem noch existierenden Sommerweg, der sandig neben der Fahrbahn für Pferdegespanne angelegt war.
Die Entfernung zur Deckung betrug 100 Meter und von hier aus wurde mit Großkaliber geschossen. Es handelte sich um ein aus Holz errichtetes Gebäude mit einer Tür und zwei Fenstern.
Die Außenwände bestanden aus ungehobelten Brettern und wurden, wie aus den Protokollen ersichtlich, häufig aus gestiftetem Holz zu den Schützenfesten erneuert.
Mit der Errichtung des Schießstandes für das Kleinkaliber, hatte er 1938 ausgedient. Die Aufwendungen für die Munition waren nicht mehr so hoch wie für die bisher benutzten Waffen und die neuen waren längst aus den Kinderschuhen entwachsen.
Im selben Jahr entstand auch die Badeanstalt in Handarbeit durch den in Eschede stationierten Arbeitsdienst. Eine in der Teichwirtschaft entwickelte Methode sorgte für Frischwasser durch einen Stau der Aschau am Einlauf und hinter dem Stau sorgte ein in die Umrandung des Beckens eingelassener Mönch für den Abfluss.
Der dadurch im Sommer höhere Wasserstand der Aschau bildete somit eine natürliche Absicherung der Schießbahn zusätzlich zu den zwei Blenden, die im Abstand zueinander auf der Viehweide standen.
Die Stauanlage ist heute noch zu erkennen durch die an beiden Ufern errichteten Betonmauern. Darüber führte bis vor kurzem noch ein schmaler Steg und genau auf dieser Höhe stand ein Holzgebäude, der Kleinkaliberstand.
Er machte einen ordentlichen Eindruck, weil die gehobelten Bretter hell gestrichen waren und er rundherum mit Fenstern versehen war.
Unmittelbar nach Kriegsende fand sich hier die Jugend zum Tanz am Sonntag ein, der Lachmundsche Saal war nach der Munitionszugexplosion am 21.Februar 1945 noch nicht wieder hergerichtet und die Amerikaner nutzten das Deutsche Haus für ihre Zwecke.
Nach handgemachter Musik auf Schifferklavier oder Ziehharmonika drehten sich die Paare und vergaßen für einige Stunden die Erlebnisse auf der Flucht, in den Kellern oder als junge Soldaten an den Fronten.
Einheimische und die vielen Zugezogenen begegneten sich hier und einer lernte vom anderen das Tanzen.
Wer den Schlüssel zu dem Gebäude verwaltete, weiß ich nicht. Derjenige wurde aber sicher dafür entschädigt, weil das fremde Eigentum geachtet wurde.
An eingeschlagene Fenster oder eine aufgebrochene Tür kann ich mich nicht erinnern.
Es war der Anfang der Integration in Eschede.
Erste Marschmusik erklang im Dorfe wieder, als im August 1949 der Gesangverein ,,Germania" sein 80-jähriges Bestehen feierte.
Das Vereinsverbot war mit der Verordnung 112 von der Militärregierung aufgehoben worden. Traditionelle Märsche, zu denen Uniformen gehörten, waren noch nicht zu hören.
Aber der Ort war geschmückt, wie man ihn wohl noch nie gesehen hatte. Die aufgerufene Bevölkerung hatte sich von der Vereinsführung mitreißen lassen und wollte ein paar Tage die Sorgen des Alltagslebens vergessen.
Die finanziellen Möglichkeiten waren noch begrenzt und die Zuteilungen mit Lebensmittelkarten noch nicht vollständig aufgehoben. So blühte nach wie vor das Schwarzbrennen des Alkohols, meistens aus Zuckerrüben.
Rund um die Säle, in denen Tanzveranstaltungen stattfanden, schlichen sich dunkle Gestalten an den Hecken entlang, nahmen einen Schluck aus der hier versteckten Flasche und legten sie mit dem restlichen ursprünglichen oder mit Essenzen veredelten ,,Rübenheimer" in die mitgebrachte Tasche.
In einer Predigt erwähnte der damalige Pastor der Gemeinde beiläufig, dass in den Häusern unseres Dorfes, bis auf die Kirche, schwarz Alkohol gebrannt würde.
Im April 1951 fanden sich langjährige Vorstandsmitglieder des Schützenvereins Eschede zu einer konstituierenden Sitzung zusammen.
Dem neugegründeten Verein stand nach dieser Zusammenkunft der Bürgermeister der Gemeinde Eschede, Ernst Müller, vor und als dessen Stellvertreter zukünftig der Schlachtermeister Heinrich Winkel, Schriftführer und Kassierer in Personalunion wurde wie bisher Heinrich Meyer.
Als Schützenoberst fungierte, wie in den Jahren vorher, Wilhelm Thiele. Weiterhin gehörten zum Vorstand Friedrich Dobberkau und Adolf Müller, der später Nachfolger des verstorbenen Präsidenten wurde und dieses Amt bis zu seinem Tode am 11.02.1962 innehatte.
Neu in den Vorstand trat ein Hans-Joachim Heinze als Adjutant. Führer der 1. Kompanie blieb wie vor dem Krieg Albert Gottschalk, während die 2. Kompanie künftig von Wilhelm Krohne befehligt wurde. Das Trommler- und Pfeiferkorps, heute als Spielmannszug bekannt, sollte von Adolf Brockmann neu aufgebaut werden. Der Stabsarzt hieß wie bisher Erich Dettmer, der beim jährlichen Umzug gesund teilnehmen wollte und darum das restliche Jahr mit einem um den Hals gewickelten Schal auf seinem Trecker auftrat, im Dienst jedoch hoch zu Ross mit weißer Fliege. In den ersten Jahren waren außerdem der Oberst und der Adjutant beritten. Für die Sicherheit sorgte bis zu seiner Pensionierung Otto Knoop, der letzte Polizeireiter der Südheide aus Weyhausen.
Auch das Organisatorische wurde besprochen und beschlossen, dass das erste Schützenfest am Sonnabend, dem 02. Juni 1951, mit dem traditionellen Exerzieren auf dem Glockenkolk beginnen sollte und dazu die Schützen der 2. Kompanie mit Gewehren anzutreten hätten.
Stellmachermeister Durchstecher stellte diese in genügender Zahl aus Holz her und wer dem Schützenverein beitreten wollte, musste dieses vorzeigen und außerdem den Beitrag vom DM 5,- als Jahresbeitrag entrichten.
Voraussetzung war allerdings die Vollendung des 16. Lebensjahres. Diese Bedingung konnte ich nicht erfüllen, weil erst Anfang Juni mein entsprechender Geburtstag sein würde. Man nahm mich aber trotzdem in den Verein auf.
Die Gewehre waren nur in der Form den richtigen nachempfunden und hatten am Ende des stilisierten Laufes ein Loch, damit man dort Blumen hineinstecken konnte.
Marschieren hatten wir schon im Sportunterricht während des Krieges geübt, aber nicht so zackig, wie es nun hier vonstatten gehen sollte. Wir standen noch unsortiert auf dem Glockenkolk in Haufen herum, als plötzlich das Kommando ertönte: ,,Kompanie in Linien zu drei Reihen antreten!"
Jetzt wird es ernst und immer schön darauf achten, was die älteren machen. Das waren die, die entweder vormilitärischen Drill erlebt hatten oder schon Soldat gewesen waren.
Keiner von uns drängte nach vorn aber ordnete sich nach Größe ein. Das erste Glied wurde auch nicht so gern gewählt, denn auf diesem ruhten die Augen der vielen Zuschauer.
Kurze Pause, um die Schuhspitzen zum rechten Nebenmann anzugleichen. Danach: ,,Augen geradeaus!" ,,Zur Meldung an den Oberst, Augen - rechts!"
Danach das Üben mit dem Gewehr, das von der rechten Hand gehalten auf dem Boden stand. ,,Das Gewehr - über!" ,,Präsentiert das Gewehr" ,,Gewehr ab!" Au Backe, gar nicht so leicht.
Aber irgendwann klappte auch das so leidlich. ,,Gewehr über!",,Rechts um!" Und dann: ,,Im Gleichschritt marsch!"
Jetzt auch noch Seitenrichtung und Vordermann, aufpassen beim Schwenk in einer Linie.
Wenn ich heute daran zurückdenke, kam in mir das Gefühl auf, als Halbwüchsiger endgültig in die Reihe der Erwachsenen aufgenommen worden zu sein.
Wie man aber diese Griffe, einschließlich des Präsentierens, exakt ausführt, konnten wir fast 20 Jahre später bei einem Besuch in Mauterndorf bei den dort stattfindenden Wettkämpfen der Lungauer Garden im Salutschießen hautnah erleben.
Dort lernten wir auch den Unterschied im Umgang mit der gemeinsamen Vergangenheit kennen. Selbstbewusst trugen damals schon die dortigen Schützen die ihnen verliehenen Kriegsauszeichnungen an ihren Schützenuniformen.
Anstatt unserer Holzgewehre trugen sie echte Gewehre, die mit Platzpatronen geladen wurden. Eines der Kommandos war uns völlig unbekannt: ,,Legt an!" Die Gewehrläufe der an den Schultern gepressten Karabiner zeigten im 45-Gradwinkel gen Himmel. ,,Feuer!" und der Sieg wurde der Ehrenformation zugesprochen, deren Salve aus einem einzigen Knall bestand.
Der Lungau liegt im Salzburger Land und dorthin bestand über Jahre eine enge Beziehung zu Eschede. Die Fahrt dorthin werde ich, so lange ich lebe, nicht vergessen. Der Schützenverein Eschede hatte in einer Nacht, ohne einen Schuss abgegeben zu haben, den ganzen Ort erobert. Der Gang durch die Lokale mit unserem Heidjerhumor endete mit der Kapitulation der teilnehmenden Einwohner vor so viel improvisierter Unterhaltung.
Aus dem ersten Königsschießen, in Ermangelung eines Schießstandes fand es auf dem Hof der Gaststätte Gottschalk statt, ging Julius Frucht als Sieger hervor, der mit seiner amerikanischen Gattin in einem Haus von Klein-Heinecke wohnte. Ihm gehörte eine Firma der Kosmetikbranche in Hannover, deren bekanntestes Produkt ,,Schwanenweiß" hieß.
Er verfügte sicherlich über entsprechende Barmittel, um nicht nur das nach wie vor beliebte Freibier in Strömen fließen zu lassen, er stiftete auch für den Kinderkönig, nicht nur während seiner Regentschaft, sondern darüber hinaus bei jedem Schützenfest, jeweils eine Armbanduhr.
Das Bier wurde damals in den Gläsern eingeschenkt, von denen man vor dem Krieg 11 Stück für eine Mark bekam. Einer meiner Freunde schleppte davon sechs Stück in jeder Hand an, die wir in einer Ecke des Saales ungesehen austranken.
Mir war dieses schnelle Trinken nicht bekommen und meine Eltern merkten wohl, dass ich nicht mehr ganz nüchtern war, verboten mir zum abendlichen Ball zu gehen und versteckten mein Zeug. Sie gingen zu ihrem wöchentlichen Skatabend und ließen mich allein zuhause.
In der Garderobe meines älteren, aber kleineren Bruders, bin ich dann zum Schützenball gegangen und habe dort die älteren Damen bewegt, die nicht mehr auf ihre tanzfaulen Partner angewiesen waren, mir aber ungewollt das Tanzen beibrachten.
Sehr bedacht war ich darauf, vor meinen Eltern im Bett zu liegen, allerdings drückten auch die zu kleinen Schuhe.
Fanden die Schützenfeste traditionell im Wechsel zwischen den beiden Saalinhabern statt, so endete dieser Brauch mit dem Tode von Werner Gottschalk, dem Erben des Deutschen Hauses.
Der Pächter hatte kein Interesse an der Ausrichtung und so wechselte der Verein auf den Glockenkolk, der sonst das ganze Jahr über dem TuS Eschede zur Verfügung stand und auf dem die Hand- und Fußballspiele ausgetragen wurden.
Bis zu drei Zelte mussten aufgebaut werden, damit die Teilnehmer, vor allen die bei den Tanzveranstaltungen, vom Wetter unabhängig untergebracht werden konnten.
Karussells, Schießbuden und Bratwurststand hatten dort ebenfalls Platz.
Die Dauer des Schützenfestes wurde 1954 um den lustigen Sonntag gekürzt, weil die Zelte nur für ein verlängertes Wochenende zur Verfügung standen. Eine ganze Woche unbenutzt wäre für den Pächter zu teuer gewesen.
1953 wurde in Gemeinschaftsarbeit und bei einer Kreditaufnahme von DM 8.000 der anfängliche Schießstand errichtet, der nach und nach zu dem wurde, wie er sich heute darstellt.
In der Generalversammlung 1957 konnte der Kassierer einen Kassenbestand vom DM 500 den Anwesenden mitteilen und dass er zurzeit von 245 Mitgliedern Beitrag erhält.
Eine neue Fahne ist 1958 unter großer Beteiligung auswärtiger Vereine, der Umzug hatte eine Länge von 500 Metern, geweiht worden.
Zum ersten Mal nahm eine weibliche Abordnung in Uniform des Schützenvereins aus Hannover - Kirchrode teil, auf die die Gründung der Eschedeer Schützendamen zurückgeht, die zum ersten Mal 1960 an dem Umzug teilnahmen.
Sie wurden aber erst 1994 offizielle Mitglieder des Vereins.
Nur mit Zuschüssen von verschiedenen Seiten war es möglich, die Schießanlage den geforderten Sicherheitsbestimmungen anzupassen. Die aufgenommenen Kredite wurden planmäßig zurückgeführt und sie stellt jetzt ein nicht unbeträchtliches Vermögen des Vereins dar.
Das Gelände, in Eigenbesitz, musste vergrößert werden und zwar durch die angebotene kostenlose Übertragung auf den Verein von den der Gemeinde bzw. Kirchengemeinde Eschede gehörenden Flächen, was 1963 die Eintragung in das Vereinsregister voraussetzte, und es sind nunmehr insgesamt 2.204 Quadratmeter.
Aufgrund seiner Verdienste um das Eschedeer Schützenfest wird Wilhelm Linnewedel 1960 zum General ernannt.
Laut Satzung wird der General vom Vorstand vorgeschlagen und von der Jahreshauptversammlung auf Dauer der Vereinszugehörigkeit bestätigt; er kann also nicht gewählt werden. Ihm folgten in den späteren Jahren Heinrich Lange und Wilhelm Krohne.
Zurzeit bekleidet Jürgen Horstmann diesen Posten.
Im selben Jahr komponierte Wolf-Dietrich Lehr den ,,Eschedeer Schützenmarsch" und einige Jahre später auch noch einen Jubiläumsmarsch. Die Entstehung beider Melodien habe ich hautnah mitbekommen, denn Wolf war mein Schwager.
Im Jahr 1967 wird der Verein Mitglied im Deutschen Schützenbund und zwei Jahre später muss der Festplatz auf die freie Fläche vor dem Freibad verlegt werden.
Vorteil daraus: Der Weg zum Schützenhaus ist nur sehr kurz.
Ein Jahr später trage ich als ,,Jochen, der Lustige" die Kette des Vizekönigs.
Die Schützenuniform wird 1971 durch das Ärmelabzeichen ergänzt: Ein silbernes Eschenblatt auf grünem Grund.
1974 gibt es den ersten ,,Schweinekönig", obwohl das Schweineschießen bereits seit 1962 durchgeführt wird.
Durch die Gebietsreform bedingt, erfolgt im Jahr darauf der Austritt aus dem Mahdheidering, weil sich der Verein verstärkt den Schützenvereinen der neu entstandenen Samtgemeinde Eschede widmen will.
Die Schießsportmöglichkeiten wurden erweitert durch den Bau eines Luftgewehrschießstandes und einige Jahre später verfügt der Verein auch über einen Pistolenstand.
Der Name des Vereins wird sowohl auf Kreis- und Landesebene als auch auf Bundesebene in den Siegerlisten geführt. Als Mannschaften und Einzelschützen in den jeweiligen Damen- oder Herrenwettbewerben.
So ist die Mannschaft im Wettkampf ,,60 Schuss Kleinkaliber liegend" Vizemeister bei den deutschen Meisterschaften 1978.
Otto Lödding wird 1986 deutscher Meister im Luftgewehr Seniorenklasse II.
Mit 40 Mitgliedern gehört der Verein seit 1985 über den Kreissportbund Celle zum Landessportbund Niedersachsen.
Im Jahr 1990 feierte der Verein sein 150. Bestehen.
Erstmals konnte jeder Bürger aus Eschede seinen Schuss auf die Bürgerscheibe abgeben, die dem besten Teilnehmer als Andenken überreicht wird. Die Bürgerscheibe wird seitdem all drei Jahre ausgeschossen.
Der ,,alte" Spielmannszug löst sich wegen Überalterung der Spielleute auf und der seit 20 Jahren schon aktiv mitwirkende Jugendspielmannszug wird allein die Tradition des Vorgängers fortsetzen.
Die Senioren des Vereins beginnen 1992 mit ihren monatlichen Treffen und ermitteln seit 1996 ihren Seniorenkönig. Sie unternehmen Fahrten sowie andere gemeinsame Veranstaltungen und tragen somit wie die restlichen Abteilungen zur Vielfalt des Vereins bei.
Eschede musste nach 1945 viele, durch die Kriegsereignisse heimatlos gewordene, Menschen aufnehmen.
Auch damals gab es die Probleme zwischen den Ankommenden und den hier Ansässigen. Dass eine Integration in so verhältnismäßig kurzer Zeit erfolgte, ist unter anderem dem Schützenverein zu verdanken.
Um aber noch einmal auf das Jahr 1840 zurück zu kommen und wie sich die Dinge im Laufe der Zeit ändern:
Damals wäre ein Zeltgottesdienst, wie seit einigen Jahre üblich, nicht möglich gewesen.